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Beneath the Surface

Die Fotografien der Arbeit „Beneath the Surface“ von Monika Barth nehmen uns mit auf die Reise in eine Bilderwelt, die einem das Gefühl vermittelt, geerdet zu sein und zugleich in eine imaginäre Vision entführt zu werden. In der unmittelbaren Nachbarschaft ihres eigenen Hauses hat sie ihren ganz eigenen Kosmos in einem Biotop entdeckt, das gezeichnet ist von Naturgewalten und von Einwirkungen des Menschen. Der konzentrierte Blick auf einen solch begrenzten Raum ist für die Fotografin sehr ungewöhnlich, da sie früher eher in der weiten Welt unterwegs war und sich faszinierte für das urbane Leben in den Metropolen verschiedenster Länder. Die Corona Pandemie mit der Einschränkung der Mobilität stellte einen Wendepunkt im Leben von Monika Barth dar und sensibilisierte sie für das Naheliegende, die Welt vor ihrer Haustür.

„Landschaften“ nennt die Fotografin die Erkundungen der Bodenflächen in ihrer persönlichen Umgebung und macht damit deutlich, dass es ihr nicht um sachliche Materialstudien oder formale Spielereien geht, wenn sie ihre fragmentarische Sicht auf den Boden in unterschiedlichster Beschaffenheit richtet. Sie findet vielmehr genau den Grad an Abstraktion in ihren
Bildausschnitten, der das Gesehene haptisch erfahrbar macht und dabei gleichzeitig die Dimensionen des Abgebildeten so rätselhaft erscheinen läßt, dass der Blick geweitet und die Fantasien der Betrachter*innen stimuliert werden. Gerade die Reibung zwischen der sehr präzisen Darstellung von etwas Gegenwärtigem und der ideenreichen Visualisierung von etwas Imaginiertem macht den besonderen Reiz der Serie „Beneath the Surface“ aus. Mit einem subtilen Gefühl für die ästhetische Wirkung von Formen und Farben durchdringt die Fotografin die Oberfläche einer rein faktischen Erfassung ihres Lebensraumes und kreiert dabei Seelenlandschaften, die einen tiefen Einblick in ihre inneren Bilder, in ihre Empfindungen, gewähren. Spiegelungen in Pfützen, Risse in vertrockneter Erde und Spuren im schlammigen Grund lassen den Boden wie eine Membran erscheinen, wie eine verletzliche Haut, die Schutz vermittelt und zugleich nach ihm sucht. In den Fotografien kommt ein intensiver – fast meditativ wirkender – Dialog von Monika Barth mit ihrer Alltagswelt zum Ausdruck. Alles von ihr Wahrgenommene hätten die meisten Menschen übersehen, da es für sie keine offensichtliche Bedeutung gehabt hätte, und gerade in dieser Offenheit für das scheinbar Banale liegt die einzigartige Qualität der Bilder. Es geht hier nicht darum, Botschaften zu vermitteln oder wertende Interpretationen zu liefern, sondern den Akt des Sehens von einer vorgegebenen Zweckhaftigkeit zu befreien.

Eine weitere Ebene in der Arbeit „Beneath the Surface“ bilden Portraits, die in den Jahren von 2019 bis 2024 entstanden sind. In der Kombination mit den „Landschaften“ schaffen sie eine assoziative Verflechtung von unterschiedlichen seelischen Zuständen. Auch bei ihren Menschenbildern folgt die Fotografin keinem dokumentarischen Duktus. Ihre Protagonist*innen repräsentieren weder sich noch eine gesellschaftliche Gruppe, sondern verkörpern einen expressiven Moment bei der persönlichen Begegnung mit der Fotografin. Die Auswahl der Personen folgt somit keinem logischen Prinzip, sondern begründet sich ausschließlich in einer radikal subjektiven künstlerischen Haltung. Auch wenn Monika Barth dabei sehr ihrem intuitiven Handeln vertraut, ist bei dem Zusammenspiel der verschiedenen Ebenen in ihrer Arbeit nichts Beliebiges zu erkennen. Wie selbstverständlich wirkt der Dialog unterschiedlicher Physiognomien, der Mimik und Gestik der Menschen mit den poetisch verdichteten Blicken auf eine human nature. Gerade in der Paradoxie einer rational nicht sofort erklärbaren Interaktion können alle Bilder ihre imaginäre Kraft entwickeln und das eindrucksvoll zur Sprache bringen was unsere Existenz ausmacht: Emotionen in all ihren vielschichtigen und auch widersprüchlichen Ausprägungen.

Wolfgang Zurborn

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The photographs in Monika Barth´s work ‚Beneath the Surface‘ take us on a journey into a world of images that make us feel grounded and at the same time transported into an imaginary vision. Right on her doorstep, she has discovered her very own cosmos in a biotope marked by the forces of nature and human influence. The concentrated focus on such a limited space is pretty unusual for a photographer, who used to travel the world and was fascinated by urban life in the big cities of various countries. The pandemic and the restriction on mobility marked a turning point in Monika Barth’s life and made her more aware of what was close at hand, the world on her doorstep.

The photographer calls her explorations of the ground in her personal surroundings ‚landscapes,‘ making it clear that she isn’t interested in objective material studies or formal games when she directs her fragmentary gaze at the various textures on the ground. Instead, she finds the right level of abstraction in her image details. This makes what she sees feel tangible, while at the same time rendering the dimensions of what is depicted so enigmatic that the viewers’ gaze is broadened and their imagination stimulated. It is the friction between the mix of the realistic depiction of something real and the visualization of something imagined that makes the ‚Beneath the Surface‘ series so appealing. With a subtle sense of the aesthetic effect of shapes and colours, the photographer penetrates the surface of a purely factual recording of her living space, creating soulscapes that offer a deep insight into her inner images and feelings. Reflections in puddles, cracks in dried earth, and marks make the ground appear like a membrane, like a vulnerable skin that provides protection and at the same time seeks it. The photographs show an intense – almost meditative – dialogue between Monika Barth and her everyday world. Most people would have overlooked everything she perceives, as it would have had no obvious meaning for them. It is precisely this openness to the seemingly banal that gives the images their unique quality. The aim here is not to convey messages or provide judgmental interpretations, but rather to liberate the act of seeing from a predetermined purpose.

Another layer of the work ‚Beneath the Surface‘ is formed by portraits created between 2019 and 2024. Combined with the ‚landscapes‘, they create an associative interweaving of different states of mind. The photographer does not adopt a documentary style in her portraits either. Her subjects neither represent themselves nor a social group; rather, they embody an expressive moment in their personal encounter with the photographer. The selection of individuals is therefore not based on any logical principle, but on a radically subjective artistic attitude. Although Monika Barth trusts her intuition, there is nothing arbitrary about the interplay of the various levels in her work. The dialogue between different physiognomies and the facial expressions and gestures of the subjects, and the poetically condensed views of human nature, seems completely natural. It is precisely in the paradox of an interaction that cannot be immediately explained rationally that images can develop their imaginative power, impressively expressing what constitutes our existence: emotions in all their complex and contradictory manifestations.

Wolfgang Zurborn